Der ganz normale Wahnsinn

Kategorie: Allgemein

Was mir so einfällt …

Sonne und Beton

Ab morgen (2.3.) ist er in allen Kinos zu sehen, ich hatte das Glück, ihn bei der Kino-Tour in Marburg bereits sehen zu dürfen.

Nachdem ich das Buch schon beeindruckend fand und seit längerer Zeit besonders mittwochs viel Werbung für den Film gemacht wurde, waren meine Erwartungen an den Film sehr hoch.

Und ich wurde nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil!

Der Film ist gewaltig, atemberaubend, beeindruckend, mitreißend und noch vieles mehr. Er zeigt eine Realität, die viele von uns gerne verdrängen wollen. Das tut er durch eine harte Ausdrucksweise, authentische Drehorte, Schauspieler:innen, die perfekt zu den Charakteren passen und eine Kameraführung, die einen die Geschichte hautnah miterleben lässt.

Die Geschichte von Lukas und seinen Freunden zwischen Schule, Familie und dem alltäglichen Leben in Neukölln ist geprägt von Armut, familiären Schwierigkeiten und der Frage nach dem eigenen Platz in der Welt. Schule spielt nur eine geringe Rolle für die Jugendlichen, obwohl Lukas das Abitur machen möchte. Unterstützung von zu Hause bekommt keiner der vier Jungs. Innerhalb sowie außerhalb der Schule gibt es viele Möglichkeiten, sich zu behaupten und manchmal besteht dazu sogar die Notwendigkeit. Ärger kann man entweder (versuchen) aus dem Weg zu gehen oder sich diesen aktiv suchen. Vielleicht um so Respekt zu erlangen, der einem zu Hause verwehrt bleibt? Alkohol und Drogen helfen da, sich abzulenken.

Konflikte gibt es zahlreiche in diesem Film. Besonders der Einbruch in die Schule, um die neuen Computer zu stehlen und damit endlich an etwas Geld zu kommen, führt zu weiteren Problemen. Geld bedeutet für die vier, sich zu mindestens für eine Zeit ein unbeschwertes Leben zu ermöglichen, genauer gesagt an dem Teil zu haben, was für viele andere Menschen als normal gilt z.B. der Besuch im Schwimmbad. Somit ist die Motivation für den Diebstahl eindeutig und zeigt gleichzeitig, wie alternativlos andere Möglichkeiten ihnen erscheinen. Dazu kommen noch die jeweiligen Konflikte zu Hause, mit dem Ticker aus dem Park und natürlich das Problem, die Computer loszuwerden.

Am Höhepunkt des Films laufen alle kleinen und großen Probleme zusammen und es kommt zur Eskalation, die Lukas Freund ins Krankenhaus bringt, zum Teil die Fronten klärt und die Freunde enger zusammenschweißt. 

Besonders deutlich wird das Spannungsverhältnis, in dem die Jungs sich befinden, meiner Meinung nach in diesen beiden Sätzen:

Der Klügere gibt nach.“ – „Der Klügere tritt nach.

Ersterer ein Satz, den ich zugegebener Maßen als Lehrerin bereits mehrfach gesagt habe, da ich irgendwie schon daran geglaubt habe (im Moment bin ich mir nicht mehr so ganz sicher), dass viel Wahrheit in diesem Leitsatz steckt.

Die Frage ist nur: Was, wenn dieser Satz mit der Realität nicht übereinstimmt oder nicht mit ihr vereinbar ist? Wenn, obwohl man dem Ärger versucht aus dem Weg zu gehen und „als Klügerer nachgibt“, sich trotzdem nichts verändert, nichts verbessert. Ist es dann nicht verständlich, dass der schlaue Leitsatz zu „Der Klügere tritt nach“ wird? Nicht, dass ich diese Einstellung damit unterstützen möchte, aber den Weg vom Mantra des Vaters zur Version des Bruders kann ich doch in gewisser Weise nachvollziehen. Zum Glück findet Lukas zum Ende des Films auch einen anderen Weg.

Was sagt man also Schüler:innen, die in einer ähnlichen Lage sind, die eben auch keinen anderen Ausweg sehen, weil sie sich durch soziale Missstände in die Ecke gedrängt fühlen und das Gefühl haben, am normalen Leben nicht teilnehmen zu können?

Habt ihr eine Antwort?

Also geht ins Kino! Ich kann es nur empfehlen, mir als Lehrerin hat der Film eine neue Perspektive auf meine Schüler:innen eröffnet.

Es geht los …

… jetzt wirklich.

Der Titel „Es geht los …“ steht hier schon eine Weile, ich zahle auch schon eine Weile die ca. 5,00 € für den Block. Trotzdem „erst“ jetzt der erste Beitrag.

Einen Blog wollte ich schon lange schreiben, weil ich mir einbilde, dass ich etwas zu sagen habe und weil mein Job mich ständig vor neue Herausforderungen stellt, die ich irgendwie in einer etwas breiteren Masse teilen und besprechen möchte.

Mein Lehrerzimmer bietet mir diese breite Masse leider nicht.

Also ich bin Lehrerin an einer Realschule und ich mag meinen Job.
Er ist auf der einen Seite, wie ich ihn mir vorgestellt habe.
Auf der anderen Seite auch ganz anders: anstrengend (auf eine Art und Weise, die ich im Moment gar nicht genau erklären kann), herausfordernd, erschreckend, beängstigend, ermutigend und gleichzeitig ernüchternd und unglaublich vielseitig.
Langeweile wird in den nächsten Jahren definitiv kein Problem – vielleicht eher ein Wunsch.

Alle diese Beschreibungen der anderen Seite haben übrigens sehr wenig mit den Schüler:innen zu tun und sehr viel mit dem System, aber wem im Lehrberuf geht es nicht so.

Lehrer:innen, die unsere Schüler:innen als das Problem betrachten, haben sich bis zur Rente meiner Meinung nach einen schweren Weg ausgesucht.
Wobei es fraglich bleibt, mit welchem Narrativ man schneller verzweifelt – die Schüler:innen werden immer problematischer oder – das System ist veraltet und muss dringend erneuert werden, was allerdings einem Kampf gegen Windmühlen gleicht.

Ich bin ganz klar Verfechter des zweiten Narrativs und bin gewillt daran nicht zu verzweifeln!

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