Lehrerfortbildungen gibt es Zahlreiche, sie unterscheiden sich nicht nur in ihren Themen, sondern auch in ihrer Qualität. Maßgeblich für die Qualität ist häufig die Zeit und der Umfang, der sich für ein Thema genommen wird. Viel Fortbildungen versuchen an einem Tag oder an einem Vor/Nachmittag ein breites Themenfeld abzudecken. Besonders bei kontroversen Themen oder Themen, die zu diesem Zeitpunkt besonders dringlich sind, können in diesen Fällen selten zur Zufriedenheit der Kolleg:innen beantwortet werden. Am Ende sind viele Fragen offen oder ganze Themenbereiche wurden gar nicht erst angesprochen.
Aus diesem Grund bin ich ein Fan von mehrteiligen Fortbildungsreihen, die natürlich auch einen größeren Themenkomplex behandeln, aber eben über einen angemesseneren Zeitraum. Ein weiterer Vorteil an mehrteiligen Fortbildungen: Man kann Impulse aus den ersten Veranstaltungen in der Schule erproben und sie in der nächsten Sitzung evaluieren. Auch die Teilnehmer bleiben die gleichen und der Austausch wird so produktiver und wertvoller. Kurz gesagt, mir erscheint diese Form der Fortbildung als wesentlich nachhaltiger.
Daher habe ich bereits unterschiedliche Fortbildungen besucht, die über einen längeren Zeitraum stattfanden und die einzelnen Module über zwei Tage gingen. Zum einen eine Fortbildung zum Thema „Deutsch als Zweitsprache“ an der Universität Mainz und eine Weiterbildung zum Thema „Soziales Kompetenz Training“ bei der Unfallkasse Rheinland-Pfalz. Beide Fortbildungsreihen waren sehr ergiebig und haben mir für meinen schulischen Alltag viel gebracht. Ich empfehle sie also mit gutem Gewissen weiter.
Die neue Fortbildungsreihe, an der ich zurzeit teilnehme, hat den Titel „Wahrnehmen – Erkennen – Handeln – Handlungskompetenzen für Lehrkräfte bei Schülerinnen und Schülern mit psychischen Auffälligkeiten“, Schirmherr der Reihe ist die LZG (Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V.). Durchgeführt wird die Fortbildung von zwei Psychologen Florian Hammerle und Vanessa Wolter. Ein wirklich sehr gut eingespieltes Team, das zwei Tage Fortbildung sehr kurzweilig und informativ gestalten kann. Im ersten Basismodul gab es fachlichen Input zu den Themen ADHS und Störungen des Sozialverhaltens. Als praktisches Handwerkszeug wurde die Validierung und Verstärkerpläne eingeführt. Im zweiten Basismodul wurden die Themen Depression, Suizidalität und Essstörungen behandelt. Das Thema der Validierung wurde wiederholt und durch Strategien des Commitments ergänzt.
Grundannahmen nach M. Linehan
Neben dem fachlichen Input, der einen kurzen Überblick über die unterschiedlichen Krankheitsbilder lieferte, waren für mich besonders die Strategien der Validierung und des Commitments interessant und hilfreich. Auch die Grundannahmen nach Marsha Linehan aus den 80er-Jahren, die als Grundlage für die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) gelten (1) und für den Umgang mit Schüler:innen in etwas modifizierter Weise vorgestellt wurden, waren für mich sehr interessant und haben mir neue Perspektiven für die Arbeit mit meinen Schülerinnen ermöglicht. Besonders die ersten beiden Annahmen finde ich hilfreich, auch wenn es schwer ist, sich genau diese in stressigen und zum Teil emotionalen Situationen vor Augen zu führen.
- „Kinder und Jugendliche mit psychischen Auffälligkeiten tun das Beste, das sie (aktuell) können.“
- „Kinder und Jugendlichen wollen sich verändern.“ (2)
Eben nicht von der Annahme auszugehen (wie es leider häufig der Fall ist), dass Kinder und Jugendliche mit ihrem Verhalten (generell) gezielt stören und den Unterricht boykottieren wollen, sondern den Blick dafür zu schärfen, dass ihr Verhalten einen Grund hat und sie Unterstützung benötigen. Ich finde, diese Annahmen helfen dabei, Verhalten von Schüler:innen mit etwas mehr Distanz zu betrachten und sich mehr auf das positive bzw. auf positive Fortschritte zu konzentrieren.
Gesprächsführung
Bei den Strategien der Validierung geht es darum, „den Schüler:innen zu vermitteln, dass seine/ihre subjektive Sicht der Dinge für den Schüler/die Schülerin stimmig und nachvollziehbar ist.“ Diese Art der Gesprächsführung ist besonders durch die Haltung gegenüber den Schüler:innen geprägt, ihnen zu signalisieren, dass man in ihrer Nähe ist und ihre Gedanken nachvollziehen kann. (3) Alle acht Strategien der Validierung dienen dazu, dem Verhalten der Schüler:innen auf den Grund zu gehen und ihre Beweggründe für das Verhalten nachzuvollziehen, ohne das Verhalten zu bewerten.
Die Commitment-Strategien dienen dazu, mit den Schüler:innen eine Verpflichtung auszuhandeln, nicht vorzugeben, die zur Problemlösung beitragen soll. (4) Hier könnte man sich zum Beispiel auf Verstärkerpläne oder Ähnliches einigen. Die Verpflichtung der Schüler:innen beinhaltet auch immer eine eigene Verpflichtung, die eingehalten werden muss: Kontrolle der Verstärkerpläne, weiteres Gesprächsangebot, Raum und Zeit für eine Auszeit zu bieten, Unterstützung bei dem Gespräch mit den Eltern oder das gemeinsame Suchen einer Beratungsstelle. Auch hier gibt es acht verschiedene Strategien, die man nutzen kann und die auf viele verschiedene Situationen passen.
Abschlussgedanken
Mir fällt es häufig schwer zu akzeptieren, dass wenn ein Problem benannt wurde, es nicht „einfach“ zu lösen. Ich weiß, dass dieses Denken nicht zielführende ist und viel zu einfach, trotzdem hätte ich manchmal gerne, dass es nach diesem einfachen Prinzip funktioniert:
Problem tritt auf —> Problem wird erkannt und benannt —> Lösungsstrategie wird erarbeitet —> Problem wird gelöst
Natürlich ist mir sehr wohl bewusst, dass es so nicht funktioniert und es auch völlig übertrieben und nicht gesund ist, von einem solchen Lösungsweg auszugehen.
- Lösungen sind in den meisten Fällen nicht einfach
- Lösungen erfordern viel Einsatz und Arbeit
- Die äußeren Bedingungen haben viel Einfluss auf die Lösung eines Problems
- Kinder und Jugendlichen brauchen sehr viel Unterstützung
- Auch kleine Schritte sind Erfolge
Gerade deswegen gefällt mir diese Fortbildung so gut, sie hat mir Möglichkeiten aufgezeigt, auch kleine Erfolge zu sehen und besonders Lösungen in kleineren Schritten zu planen.
Inspiriert durch die Fortbildung wird die Planung meiner Schüler:innengespräche und Elterngespräche jetzt sicherlich anders werden.
Zum Umgang mit Suizidalität
In RLP gibt es zu diesem Thema eine Handreichung, die sich wirklich lohnt zu lesen:
Außerdem empfiehlt es sich neben der Nummer des Sekretariats auch die Nummern des örtlichen Ordnungsamts und der Polizei im Handy gespeichert zu haben.
(1) https://sigrid-buck-horstkotte.de/dbt/ (15.03.2023, 16:57 Uhr)
(2) Grundannahmen nach Marsha Linehan, modifiziert durch Hammerle und Wolter.
(3) Linehan, M. (2006). DBT der Boderline-Persönlichkeitsstörung. München: CIP., verändert Hammerle 2014.
(4) Linehan, M. (2006). DBT der Boderline-Persönlichkeitsstörung. München: CIP., verändert Hammerle 2014.